Verzierungen in Lautentabulaturen

Gefördert durch:

Im Rahmen des Stipendienprogrammes des Bremer Kultursenats beschäftigte ich mich 2021 intensiv mit Verzierungszeichen in Lautentabulaturen. Dafür untersuchte ich verschiedene Quellen (zumeist originalsprachige Faksimile-Ausgaben), sowohl musiktheoretische Traktate als auch Tabulaturausgaben für Laute von unterschiedlichen Komponisten. Nach Übersetzung der entsprechenden Vorworte und Teilabschnitte der Traktate ins Deutsche habe ich dann mittels des Notentextes Rückschlüsse zur Ausführung der verwendeten Verzierungszeichen gezogen. Die Ergebnisse dieser Arbeit fasste ich in Form von Tabellenübersichten zusammen. Natürlich können sie wegen der unglaublichen Vielfalt und Anzahl von Quellen nur als eine repräsentative Auswahl verstanden werden. Verzierungen waren mit Sicherheit zu allen Zeiten und in allen Regionen anzutreffen und ein fester Bestandteil der Musikausübung. Schriftliche Zeugnisse darüber gibt es allerdings erst ab dem 16. Jh. und ab da scheint sich förmlich eine Verzierungskultur zu entwickeln.
In frühen Quellen finden sich in den Musikstücken zahlreiche ausgeschriebene Verzierungen (wie Triller, Groppo) und es werden Anregungen gegeben, um improvisatorisch Intervalle und Kadenzfloskeln auszufüllen (z.B. bei Santa Maria, Ortiz) - die sogenannten Diminutionen oder Divisions (Verkleinerungen langer Notenwerte). Kurze Verzierungen einzelner Noten wurden fast nie notiert. Die Art, der Platz, die Dauer und Schwierigkeit blieben dem Spieler überlassen.
Ab Ende des 16. Jh. werden aber von den Komponisten mehr und mehr verschiedene Zeichen für kurze Verzierungen einzelner Noten angeboten, später als wesentliche Manieren (Vorschläge, Triller, Mordenten, Doppelschläge usw.) bezeichnet. Diese Zeichen differieren je nach Region, Zeit und haben auch individuelle Ausprägungen bei den Komponisten. Daher fällt es oftmals schwer, eine eindeutige Interpretation dieser Zeichen zu finden. Es helfen die ausführlichen Beschreibungen von Musiktheoretikern wie Santa Maria, Mersenne u.a.; die Beschreibungen (Vorworte) von praktisch ausübenden Musikern und Komponisten fallen sparsamer aus. Die Kenntnis der Aufführungspraxis wurde schlichtweg vorausgesetzt, es sei denn, das Werk galt der Ausbildung von Studierenden.

Verzierungen allgemein sollen: Im 17. Jh. vollzieht sich eine Wandlung. Die Verzierungen werden zu einem Teil der musikalischen Gestaltung und erhalten damit auch eine harmonische Funktion. Das von Komponisten eingesetzte Repertoire an Zeichen für Verzierungen vergrößert sich (besonders in England und Frankreich). Viele Verzierungszeichen in Lautenquellen lassen sich in ihrer Bedeutung aus Verzierungstabellen für Tasteninstrumente oder Gambe herleiten. Daher habe ich auch solche Quellen mit einbezogen (z.B. Simpson, Loulié).

In den Tabellen verwende ich folgende Abkürzungen:
GT Ganzton
HT Halbton
HN Hauptnote
NN Nebennote
p / + Daumen
i /   . Zeigefinger
m / .. Mittelfinger
a / ... Ringfinger


Quellenverzeichnis

Martin Agricola "Musica Instrumentalis Deutsch"
Matthäus Waissel "Lautenbuch, darinn von der Tabulatur und Application der Lauten" (Vorwort)
Essaias Reusner "Neue Lautenfrüchte" (Vorwort)
Wenzel Ludwig der Edle von Radolt , "Die allertreueste Freindin" (Vorwort)
Ernst Gottlieb Baron "Historisch-theoretische Untersuchung des Instruments der Lauten"
Johann Christian Beyer "Herrn Professor Gellerts Oden, Lieder und Fabeln" (Vorwort)
Ulrike Engelke "Musik als Klangrede"
Adolf Beyschlag "Die Ornamentik der Musik"
Johannes Wolf "Handbuch der Notationskunde"
Thomas Mace "Musickes monument"
Board Lute Book (Vorwort der Facsimile-Ausgabe)
William Trumbull's Lutebook (Vorwort der Facsimile-Ausgabe)
Thomas Robinson "The School of Musicke" (Vorwort)
The Welde Lute book (Vorwort der Facsimile-Ausgabe)
The ML Lute book (Sturt), (Vorwort der Facsimile-Ausgabe)
John Playford "Brief Introduction to the Skill of Musick"
Christopher Simpson "The Division-viol"
Diana Poulton "A tutor for the Renaissancelute"
Robert Donington "Baroque music"
The Burwell Lute Tutor
Hender Robarts' Lute book
Nicolas Vallet " Secretum Musarum" (Vorwort)
Adrian le Roy "A briefe and plaine instruction to set all musicke of eight diuers tunes in tableture for the lute"
Jean-Baptiste Besard, "Isagoge in artem testudinariam"
Marin Mersenne (Harmonie Universelle, livre second"
Denis Gaultier "Pièces de luth" (Vorwort)
Denis et Ennemond Gaultier "Livre de Tabulature des Pièces de Luth" (Vorwort)
Charles Mouton " Pièces de luth composées sur differens modes" (Vorwort)
Jacques Gallot " Pièces de luth composées sur differens modes " (Vorwort)
Etiene Loulié "Elements ou principes de musique"
Hans Bol "La Basse de viole du temps de Marin Marais et d'Antoine Forqueray"
Jean Rousseau "Traité de la Viole", 1687 (dt. Übersetzung: A.Erhard)
Pietro Paolo Melii "Intavolatura di Liuto" (Vorworte)
Alessandro Piccinini "Intavolatura di Liuto et di Chitarrone" (Vorwort)
Girolamo Kapsberger "Intavolatura di Chitarrone" (Vorworte)
Tomas de Santa Maria, Arte de taner fantasia, libro primero
David Marriott "Die Ornamentik in der englischen Lautenmusik"
Diana Poulton "Graces of play in renaissance lute music"
Andreas Grün "Französische und italienische Verzierungen im 18.Jh."
Liselotte Brändle "Die wesentlichen Manieren (Ornamentik in der Musik)"
Victor Coelho "Frescobaldi and the lute and chitarrone -Toccatas of 'Il tedesco della tiorba'"
Julia Craig-Mc Feely "English lute manuscripts and scribes 1530-1630" (Dissertation)
Tobias Tietze "L'Homicide von Gaultier - Beobachtungen zum Formulierungsspielraum"
Martin Shepherd "Dowland's Graces- Ornamentation in Dowland's lute music"
Michel Cardin "Das Londoner Manuskript erklärt"


Herzlicher Dank für die Unterstützung bei der Übersetzung der originalsprachigen Vorworte und Traktate an:

Ivo Magherini
Claas Behrend Harders
Mathias Rösel
Suzanne van Os
Julie Comparini
Thomas Ihlenfeld
Carlos Arcediano del Amo


Trotz intensiver Beschäftigung mit diesem Thema bleiben viele Unklarheiten und offene Fragen. Das Ergebnis meiner Arbeit betrachte ich daher nicht als Endpunkt, sondern als Beginn, sozusagen als Diskussionsgrundlage. Ich würde mich freuen, wenn sich dadurch eine Weiterführung der Thematik ergeben würde, die vertieft, ergänzt, erweitert und möglicherweise auch berichtigt. Das jeweils aktuelle Material stelle ich fortlaufend auf meiner Internetseite zur freien Verfügung.

Bremen, Dezember 2021





Copyright © 2022 by Susanne Peuker